Spühl ist BestPractice-Partner von Staufen.Inova im Bereich Shopfloor Management – wie muss man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?
Hirt: Es gibt mehrere Ebenen der Zusammenarbeit. Auf der einen Seite besuchen wir Spühl mit Kunden und können deren Lösung als eine mögliche Umsetzung live sehen. Damit starten wir den eigentlichen Umdenkprozess bei unseren Kunden und können den tieferen Grund für Shopfloor Management, Prozessbeherrschung und Mitarbeiterentwicklung zeigen. Ausserdem dürfen wir Seminare vor Ort machen und die Theorie direkt an den Boards zeigen. Und als Letztes sind wir permanent im Austausch mit den Lean-Experten von Spühl und befruchten uns gegenseitig. Das hilft beiden, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Shopfloor Management wird oft auch als «Revolution in der Produktion» bezeichnet – weshalb?
Hirt: Es war nie wichtiger als heute die Prozesse über das gesamte Supply-Chain-Netzwerk optimal zu beherrschen und die Prozesssicherheit kontinuierlich zu steigern. Das sichert die Liefertermintreue, steigert die Qualität der Produkte und senkt die Kosten nachhaltig. Ausserdem ist Prozessbeherrschung die Grundlage für agiles Arbeiten. Insofern ist Prozesssteuerung via Shopfloor Management eine ganz wichtige Komponente für jede Firma.
Sie versprechen eine Einsparung der Produktionszeit von bis zu 50 Prozent – welche Faktoren sind massgebend, um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen?
Boltshauser: Wir sprechen von einer Reduzierung der sogenannten Durchlaufzeit, das heisst der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung, in unserem Fall einer Maschine. Und dies, ohne parallel dazu andere wichtige Kennzahlen, wie zum Beispiel die Lagerhaltung, zu erhöhen. Konsequentes Shopfloor Management bringt den Mitarbeitenden die notwendige Transparenz, um an den richtigen Hebeln zeitnah zu drehen. Entscheidend ist für uns, dass Material und Software zur richtigen Zeit und in der benötigten Qualität am richtigen Ort sind. Was banal klingt, ist in der Praxis oft eine Herausforderung.
Wenn man beispielsweise die gleiche Menge Holz in kürzerer Zeit sägen möchte, benötigt man motivierte Mitarbeitende, die gekonnt ihre Sägen schärfen und nicht nur auf gut Glück versuchen, schneller zu sägen.
Stichwort «Digitalisierung»: Welche Rolle spielt sie in den Prozessen des Shopfloor Managements?
Hirt: Die Digitalisierung eröffnet ganz neue Möglichkeiten wie ein länder- oder abteilungsübergreifendes Shopfloor Management. Die besten Tools haben die Shopfloor-Management-Logik integriert und erlauben eine uneingeschränkte Kollaboration zwischen Teams und sogar Kunden beziehungsweise Lieferanten. Ausserdem lassen sich mit digitalen Tools Daten aus den ICT-Systemen
herausziehen, anpassen und wieder zurückspielen. Wir haben dafür ein eigenes digitales Shopfloor Management, den Valuestreamer, entwickelt. Das steigert die Effizienz und erlaubt Transparenz in Echtzeit, was in der klassischen Variante nicht möglich ist.
Will ein Unternehmen das volle Potenzial ausschöpfen, ist die Unternehmenskultur ein wichtiger Faktor. Welchen Einfluss hat dafür das Shopfloor Management?
Boltshauser: Eine wichtige Voraussetzung ist eine offene Fehler- und Feedback-Kultur. Das heisst konkret, dass Fehler als Chance zur Verbesserung gesehen werden. Dabei nimmt die Problemlösungskompetenz der Mitarbeitenden stetig zu. Führungskräfte tragen erheblich dazu bei, im Positiven, wie im Negativen. Ich empfehle, diesem «weichen» Faktoren mindestens gleich viel Beachtung zu schenken.
Und wie profitiert der Endkunde letztendlich davon?
Boltshauser: Der Kunde soll nur für wertschöpfende Leistung bezahlen, nicht für Verschwendung. Konkret kann ich heute dem Kunden bereits bei der Bestellung auf den Tag genau mitteilen, wann seine Maschine fertig ist. Ich kann mich darauf verlassen, dass unsere Mitarbeitenden darauf fokussiert sind, Verschwendung in den Prozessen zu reduzieren, ohne dabei zu hetzen und die Qualität zu vernachlässigen. Dies schlägt sich in tieferen Herstellkosten nieder, die wir den Kunden weitergeben können.
Zum Schluss ein Blick in die Zukunft betreffend Lean Management generell. Welche Potenziale können noch ausgeschöpft werden, um Prozesse weiter zu verschlanken?
Hirt: Die Philosophie von Lean Management besteht einerseits darin, vorhandenes Wissen nutzbar zu machen, Prozesse zu beherrschen und Mitarbeitende kontinuierlich in ihrem Prozessverständnis weiterzuentwickeln. Auf der anderen Seite stellt es klar den Kundennutzen ins Zentrum. Das führt automatisch zu Werten wie Liefertermintreue und Anforderungen an die Produktqualität.
Lean Management strebt nach kleinen Losen bis hin zu Losgrösse 1, unter der Bedingung, dass die Herstellkosten in der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung möglichst tief sind und die Qualität den hohen Anforderungen genügt. Wenn wir uns nun die komplexen Supply-Chain-Netzwerke vor Augen führen, in denen viele Firmen heute immer agiler agieren müssen, werden
die Lean-Prinzipien immer wichtiger. Und wer die Einflussfaktoren auf seine Prozesse kennt, kann Daten nutzbar machen und neue Geschäftsmodelle entwickeln. Das alles spricht für unsere KMU-Landschaft, unser starkes Bildungswesen und den Unternehmergeist in unserem Land. Lean Management und Prozessbeherrschung waren noch nie so wichtig wie heute!